„Professionelle Nähe“
bei der Betreuung von Menschen mit Behinderungen


In den vergangenen Jahrzehnten hat sich ein fachlicher Mainstream entwickelt innerhalb dessen „Professionalität“ immer mehr mit „Distanz“ zum Klienten gleichgesetzt wurde. Diese Distanz beinhaltet sowohl den physischen (körperlichen) als auch den emotionalen Abstand. Persönliche Nähe galt zunehmend als unprofessionell oder sogar grenzüberschreitend. Stattdessen gewann das „vernünftige“ Gespräch immer mehr an Bedeutung (mit seiner höchsten Entwicklungsstufe: „Therapie“). Viele Vorgehensweisen innerhalb der Inklusionsdebatte scheinen diesen Trend noch zu beschleunigen. In den Mittelpunkt rückt sie einerseits immer mehr die verbal geäußerten Bedürfnisse des Klienten und andererseits sein Funktionieren innerhalb der gesellschaftlichen Normalität. Die oft (bzw. in der Regel) darin enthaltenen Widersprüche versucht man mit vernünftigen, rationalen Formen der Kommunikation zu lösen. Die Ergebnisse der Neurowissenschaften (Hirnforschung) zeigen, dass dieser Weg bei vielen Menschen mit einer geistigen oder seelischen Behinderung nicht nur nicht erfolgreich sei kann, sondern auch eher von Schaden als von Nutzen ist. Voraussetzung für die Weiterentwicklung der Persönlichkeit wie auch des Sozialverhaltens ist die Fähigkeit, eine Bindung zu anderen Personen zu entwickeln. Diese Bindung entsteht über vorsprachliche Kommunikation. Sie beinhaltet körperliche und emotionale Nähe. In der Geschichte der Betreuung von Menschen mit Behinderung hat es immer wieder Konzepte gegeben, die Bindungsaspekte erfolgreich verarbeitet haben. Diese gilt es, neu zu bewerten und in einer neuen Konzeption von „professioneller Nähe“ umzusetzen.

In unserem Seminar werden wir die Grundlagen und Vorgehensweisen einer solchen Konzeption bearbeiten.

Dabei werden wir die folgenden Themen behandeln:

  • Der Zusammenhang zwischen Gehirnentwicklung und Bindung in der frühen Kindheit
  • Bindungsfähigkeit als Grundlage von Persönlichkeitsentwicklung und Sozialverhalten
  • Was tun, wenn die Bindungsfähigkeit unterentwickelt ist?
    • Bindungsproblematiken einschätzen
    • „Vorsprachliche“ Kontaktaufnahme
    • Die Bedeutung von Ritualen
  • Was muss die Betreuungsperson mitbringen?
  • Bindungsentwicklung in Teamarbeit
  • Planung und Transparenz verhindert Intimität
  • Der Zeitrahmen
  • Kann man alle Störungen kompensieren?

Das Seminar wendet sich an alle Personen, die in der Betreuung von Menschen mit Behinderung arbeiten.

Referent: Gunnar Johnson, Soziologe M.A. und Systemischer Berater
Termin: 15.-16.04.2024, 1. Tag 10 – 17 Uhr / 2. Tag 9 – 16 Uhr
Kosten: 270€

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