Thesen zur „Fachkraft“ in der öffentlichen Erziehung


  1. Die Kernkompetenz liegt in der Persönlichkeit
    die Erziehungsperson braucht:
  • Reife, Erwachsensein
    • Die „Professionalität der Nähe“, d.h. Bindungsfähigkeit mit Einfühlungsve rmögen, Durchsetzungsvermögen, Selbstbewusstsein, Robustheit
    • Einen eigenen (positiven, optimistischen) Plan vom Leben
    • Handlungsorientierung
    • Reflektionsvermögen und Teamfähigkeit
  1. Die Entwicklung von Erziehungskompetenz erfordert die Synthese von Kopf und Bauch
  • Fremdes Wissen erhöht nur dann die Erziehungskompetenz, wenn es die eigene Identität reflektiert – anderenfalls verringert es die Erziehungskompetenz
    • Wissen kann man erwerben – Persönlichkeit kann man entwickeln
    • Die Entwicklung der „Synthese von Kopf und Bauch“ ist nur durch die Übernahme von Verantwortung in Praxis möglich
    • Die Entwicklung von Erziehungskompetenz ist persönlich und individuell
  1. 3. Ein Kind braucht eine Herkunftsfamilie
  • Die Identität einer Person ist in unserer Kultur an die leiblichen Eltern gebunden–Eltern sind als Identifikationspersonen nicht austauschbar
    • Eine Erziehungsperson muss verstehen lernen, dass sie kein Polizist, Richter oder Pastor und keine bessere Mutter oder kein besserer Vater ist, dass sie damit das Kind nicht vor seiner Herkunft retten oder ihm eine neue Identität geben kann. Sie muss erlernen, Werthaltigkeit der Herkunftsfamilie zu finden, zu beschreiben und dem Kind verfügbar zu machen, ohne dabei das Bindungsverhalten zu vernachlässigen. Diese Kompetenz muss in Theorie und Praxis erlernt werden.
  1. 4. Professionalität der Erziehung entsteht aus Organisation
  • Erziehung in der Jugendhilfe ist Teamarbeit mit persönlicher Verantwortung – es gibt keine Professionalität ohne organisierte Zusammenarbeit
    • Erziehung in der Jugendhilfe unterscheidet sich (u.a.) von Familienerziehung durch „Veröffentlichung“, Professionalität schließt Intimität aus; die Erziehungsperson muss in der Lage sein bzw. in die Lage versetzt werden, ihr Handeln zu kommunizieren – diese Kompetenz ist nicht angeboren, sie muss erlernt werden
    • Das Team braucht eine gemeinsame Sprache (nicht „Methodenpluralität“!)
    • Bindungsentwicklung macht die Bindungsperson persönlich empfindlich und angreifbar, die Erziehungsperson braucht deshalb den persönlichen Schutz, Solidarität, Kritik und die Unterstützung von Leitung und Kollegen
  1. 5. Die meisten staatlichen Ausbildungen (Studium der Sozialpädagogik, ErzieherInnenausbildung) dequalifizieren ihre Teilnehmer bezüglich ihrer Erziehungskompetenz
    die Probleme:

  • das Primat der Theorie – die Theorie beansprucht, die Praxis zu dominieren, nicht zu reflektieren
    • Rationalität geht vor Emotionalität, Rationalität ist fachlich, Emotion ist unfachlich
    • „Richtig“ ist für alle gleich – Uniformität des pädagogischen Denkens und Handelns ist die vorgegebene Norm, Individualität ist ausschließlich privat, Folge: Entindividualisierung der Pädagogik – Individualität wird Symptom
    • Theorie und Praxis der Persönlichkeitsentwicklung und der Individualisierung fehlen
    • die Allwissenheit der Lehrenden – die pädagogische und psychologische Lehrmeinung wird für fertig und endgültig gehalten
    • Die Absolventen der Ausbildungen sind unfähig oder haben Angst, sie selbst zu sein
  1. 6. Wir brauchen grundlegend neue Ausbildungen
    die wichtigsten Anforderungen:
  • Personenorientierung statt „Stoff“-Orientierung
    • Primat der Praxis statt Primat der Theorie: Erziehung ist „Handwerk“, keine Wissenschaft
    • Damit in Verbindung: Grundlegende und laufende Neubestimmung der Inhalte
    • Die Lehrenden müssen auch Lernende sein