Bindung und Bindungsstörung aus Sicht der Hirnforschung
Konsequenzen für pädagogische Hilfen in Jugendhilfe und Behindertenhilfe
Einer der Impulsgeber für das in den vergangenen Jahren (wieder-)erwachte Interesse am Thema „Bindung“ ist der Umstand, dass die ansteigende Zahl jüngerer bindungsgestörter Menschen mit starken Reifeverzögerungen und massiven Beeinträchtigungen in der Persönlichkeitsentwicklung vermehrt in den gesellschaftlichen Fokus gerückt ist. Zunehmend stellt diese Personengruppe pädagogische und therapeutische Fachkräfte der Jugendhilfe wie der Behindertenhilfe vor große fachliche und menschliche Herausforderungen und Kostenträger vor die Notwendigkeit nicht unerheblicher finanzieller Investitionen.
Daher wundert es nicht, dass die nachstehenden Fragestellungen für Praktiker wie Leistungsträger von besonderem Interesse sind:
• Als wie basishaft muss eine Beeinträchtigung des Bindungssystems für die Entwicklung der Persönlichkeit angesehen werden?
• Unter welchen Bedingungen kann sich hieraus eine langfristige Behinderung (i.S. eines sozialemotionalen Handicaps) ergeben?
• Welche Hilfen und Zugangsweisen sind erfolgversprechend und wieso empfehlen sich einige weniger oder gar nicht?
Letzteres um so mehr als sich mittlerweile in einer größeren Zahl von Fällen Ernüchterung hinsichtlich der nachhaltigen Wirksamkeit der eingesetzten (üblichen) pädagogischen Maßnahmen eingestellt hat. Nun hat in den vergangenen Jahrzehnten die Hirnforschung über das zunehmende Grundverständnis zur strukturellen und funktionellen Entwicklung des menschlichen Gehirns wesentliche Erkenntnisse zum Entstehungsgeschehen bindungsbasierter Reifeverzögerungen und verwandter Störungsbilder beigetragen und hierüber auch Anstösse für einen Wandel in den pädagogischen Auffassungen geben können. Hilfreich war hierbei vor allem die wachsende Kenntnis zum Funktionieren des Stresssystems,
des Systems zur Kontrolle von Emotionen und der zentralen Schaltstellen, die das menschliche Sozialverhalten steuern. Mit unserem Seminar wollen wir ausgewählte Ergebnisse der Hirnforschung zum Verständnis des Bindungsgeschehens und zu Störungsbildern, die sich aus einer Beeinträchtigung des Bindungssystems ergeben, auf allgemein verständliche Weise darstellen und damit Hinweise zur Planung pädagogischer Hilfen geben. Der Referent, Diplom Psychologe Winfried Klaes, beschäftigt sich bereits seit längerem mit der Veranschaulichung der Zusammenhänge und liefert damit wichtige Argumente für die Bereitstellung notwendiger Hilfen in der Betreuung der Zielgruppe.