„Professionelle Nähe“ in der Betreuung von
Kindern und Jugendlichen mit Bindungsstörungen


Seit Jahrzehnten vertritt die Pädagogik Auffassungen und Vorgehensweisen, die „Professionalität“ mit „Distanz“ gleichsetzen. Erzieherische Anforderungen und Maßnahmen werden in der Regel verbal („im Gespräch mit dem Kind“) vermittelt. Mittels des Gesprächs soll das Kind „einsehen“, was gut oder schlecht, was richtig oder falsch ist. Hat das Kind Schwierigkeiten oder Probleme, sollen diese formuliert und im Gespräch „aufgearbeitet“ werden. Mit den Jahren ist diese Einstellung der professionellen Pädagogik soweit Allgemeingut geworden, dass sie auch auf das Erziehungsverhalten in der Familie übertragen worden ist: das Kind ist eine Persönlichkeit, mit der auf gleicher Augenhöhe verhandelt wird. Erziehung zur Einsicht und zur Selbständigkeit von klein auf sind zur kulturellen Norm geworden. Bei Kindern und Jugendlichen mit Bindungsstörungen funktioniert ein solches Vorgehen nicht. Bindungs- und Beziehungsfähigkeit entsteht in der Entwicklung des Kindes lange vor der Sprache. Sie ist die Grundlage dafür, dass eigene Emotionen und die Befindlichkeiten eines anderen Menschen wahrgenommen und kommuniziert werden können. Wenn die Bindungsfähigkeit unterentwickelt ist, bleibt auch die Erreichbarkeit über das Gespräch begrenzt.

In unserem Seminar werden wir in Theorie und Praxis ein Konzept zur Betreuung bindungsgestörter Kinder und Jugendlicher vorstellen. Wir werden zeigen, warum Paradigmen wie „professionelle Distanz“ oder „Erziehung zur Selbständigkeit“ den Entwicklungsanforderungen nicht gerecht werden und warum deshalb ein Paradigmenwechsel in der Pädagogik notwendig ist. Anhand von Beispielen und Erfahrungen werden wir zeigen, was „professionelle Nähe“ bedeutet und wie sie zum Erfolg führen kann. U.a. werden die folgenden Themen behandelt:

• Die wesentlichen Faktoren der Persönlichkeitsentwicklung
• Bindung als „vorsprachliche Kommunikation“
• Störungen aufgrund des Fehlens der Erfahrung einer „sicheren Bindung“
• Lebensalter und Entwicklungsalter
• Wie man eine „sichere Bindung“ zum Kind/Jugendlichen entwickelt
• Die Bedeutung von Ritualen
• Was muss die Betreuungsperson mitbringen?
• Bindungsentwicklung in Teamarbeit
• Der Zeitrahmen
• Kann man alle Störungen kompensieren?

Das Seminar wendet sich an alle Personen, die in der professionellen Erziehung arbeiten.