Berufsbegleitende
Sonderpädagogische Zusatzqualifikation
für Fremderziehung von Kindern und Jugendlichen
Die Diskrepanz zwischen den in den staatlichen Ausbildungen erworbenen Qualifikationen und den Anforderungen im Erziehungsalltag ist in den letzten Jahren immer größer geworden. Sowohl in der Erzieherausbildung als auch im Sozialpädagogikstudium ist es häufig nicht gelungen, die Inhalte und Methoden den sich rasch ändernden Gegebenheiten anzupassen. Ein Problem besteht allerdings bei den meisten dieser Ausbildungen schon seit langem: Die individuelle Persönlichkeit des Lernenden wird gar nicht oder nur unzureichend berücksichtigt. Die Aneignung von Wissen und Fertigkeiten erfolgt kollektiv und pauschal, ob die Person die Inhalte für sich verarbeiten kann, interessiert nicht. Die Einrichtungen der öffentlichen Erziehungshilfe beklagen deshalb zurecht, dass viele Bewerber um eine Erzieherstelle zwar formal qualifiziert sind und auch gute Abschlussnoten haben, dass sie aber persönlich mit der Arbeit überfordert sind.
Unsere Zusatzausbildung will einerseits die Lücken schließen, die die staatlichen Ausbildungen lassen; sie hat aber darüber hinaus den Anspruch, in Theorie und Praxis ein grundlegendes pädagogisches Modell zu vermitteln, das die Erzieherpersönlichkeit und professionelles Handeln als Einheit betrachtet. Dabei verstehen wir Erziehung als einen Prozess, in dem erwachsene Menschen persönliche Verantwortung für die Entwicklung eines Kindes hin zu einer selbständigen individuellen Persönlichkeit übernehmen. Wenn Erziehung darüber hinaus einen professionellen Anspruch erfüllen soll, muss die Verantwortungsübernahme reflektiert sein und kommuniziert werden können. All dies kann man erst lernen und üben, wenn man selbst in der Verantwortung steht.
Erziehung bedeutet nicht nur Wachstum und Entwicklung des Kindes, sondern auch der erziehenden Person selbst. Theorie und pädagogisches Handwerkszeug gewinnen „im Job“ eine ganz andere Bedeutung als sie es für den Schüler und Studenten hatten. Unsere Zusatzausbildung greift die Praxiserfahrungen der TeilnehmerInnen auf, verbindet sie mit grundlegenden theoretischen Erkenntnissen und entwickelt das „persönliche pädagogische Handwerkszeug“ jedes Einzelnen weiter.
Das von uns vermittelte pädagogische Konzept basiert auf zwei Säulen: Der Bindungsentwicklung und der Identitätsentwicklung. Es verbindet die Bindungstheorie mit der systemischen Persönlichkeitsanalyse (SPA). In der Ausbildung werden die beiden Theorien dargestellt und daraus Handlungskonzepte abgeleitet.
Eine besondere Bedeutung hat in unserem Konzept die Ursprungsfamilie, da sie als identitätsstiftende Instanz in unserer Kultur nicht ersetzbar ist. Wir vermitteln den TeilnehmerInnen Sicht- und Vorgehensweisen, die ihnen neue Spielräume für die Elternarbeit eröffnen und die gleichzeitig helfen, den Kindern ein eigenes sicheres Bindungsangebot zu machen.
Das Lernen in unserer Ausbildung erfolgt grundsätzlich erfahrungsgestützt. Von den TeilnehmerInnen wird erwartet, dass sie im Rahmen der Jugendhilfe in der Fremderziehung von Kindern oder Jugendlichen arbeiten und dass sie ihre Erfahrungen in die Seminare einbringen. Ein wesentlicher Teil der Ausbildung besteht deshalb aus Fallreflektion und Supervision. Die Bearbeitung der Fälle bietet die Möglichkeit, eine systematische Hilfe- und Betreuungsplanung zu erlernen. In der Supervision werden die eigenen persönlichen Stärken für den Arbeitsprozess beschrieben.
Teilnehmer
Das Ausbildungsangebot wendet sich an alle Berufs- und Personengruppen, die im Bereich der Fremdunterbringung von Kindern und Jugendlichen arbeiten. Es eignet sich darüber hinaus auch für Pflegeeltern.
Dauer und Termine
Die Zusatzausbildung besteht aus jeweils 10 zweitägigen Theorie- und Supervisionsseminaren. Die TeilnehmerInnenzahl an den Supervisionsseminaren ist auf 8 Personen pro Seminar begrenzt, damit jede TeilnehmerIn ihre Fragestellung ausführlich einbringen kann. Die Zusatzausbildung dauert 3 Jahre; es finden 7 Seminare pro Unterrichtsjahr statt. Die Seminartermine werden für je ein Ausbildungsjahr im Voraus bekannt gegeben. Die Termine für die Supervisionsseminare können aus einer größeren Zahl von Terminen ausgewählt werden.
Kosten
Die Kosten für die Zusatzausbildung betragen 5.700 € (ohne Unterkunft und Verpflegung).
Veranstaltungsort
Die Fortbildung findet in Netphen (bei Siegen/NRW) statt. Tagungsort ist das AWO-Bildungszentrum mit angeschlossenem Hotel. Bei Bedarf kann dort übernachtet werden. Das Einzelzimmer mit Frühstück kostet ab 79,- € pro Nacht.
Prüfung und Zertifikat
Als Prüfung gilt die schriftliche Ausarbeitung von zwei Fallbearbeitungen. Die Ausarbeitungen müssen in der Supervisionsgruppe vorgestellt und verteidigt werden. Nach der Teilnahme an den Seminaren und nach Erfüllung dieser Aufgabe erhält der/die TeilnehmerIn ein Zertifikat.
Anmeldung und Vertrag
Die Anmeldung kann formlos erfolgen. Über Beginn, Inhalte und sonstige Bedingungen der Ausbildung wird ein Vertrag abgeschlossen. Der Vertrag ist seitens des/der TeilnehmerIn mit Halbjahresfrist kündbar.
Die Seminarthemen
- Einführungsseminar: Grundlagen der systemischen Arbeit
- Bindungstheorie – Entwicklung des Gehirns (Das Zusammenwirken von Umwelteinflüssen und Hirnphysiologie)
- Bindungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen
- Identitätsstörungen – Borderlinestörungen und Psychosen
- Erziehungsverhalten 1 – „Professionelle Nähe“
- Erziehungsverhalten 2 – Bindungsentwicklung in der stationären Jugendhilfe
- Eltern- und Familienarbeit 1 – Systemische Gesprächsführung
- Eltern- und Familienarbeit 2 – Die Arbeit mit psychisch gestörten Eltern
- Dokumentation und Berichte schreiben
- Das Kindeswohl
Supervision
Systemische Supervision hat den Zweck, praktische Erfahrungen zu reflektieren und die persönliche und fachliche Kompetenz zu stärken und weiterzuentwickeln. Soziale Arbeit ist das Zusammenwirken „von Mensch zu Mensch“. Man bietet dem Klienten, neben fachlichen Instrumenten und der Erfahrung im Umgang mit der Problematik, immer auch sich selbst als Mensch und Partner an, d.h. die eigenen ganz persönlichen Ressourcen werden eingesetzt und nicht selten auch verbraucht. In unserer Supervision wird dieser persönliche Ressourceneinsatz systemisch mit dem Ziel analysiert, ihn so selbstbewusst zu steuern, dass man die eigene Motivation und den „Spaß an der Arbeit“ erhalten bzw. wiederherstellen kann.
Die Supervision bietet weiterhin die Möglichkeit, laufende Fälle zu besprechen. Dazu ist es sinnvoll, alle zur Verfügung stehenden Informationen mitzubringen. Wir strukturieren gemeinsam die Informationen, stellen Hypothesen zur Symptomatik und zur Person auf und entwickeln Vorschläge für Maßnahmen.
Ausgehend von den praktischen Anforderungen der Arbeit können wir auch den institutionellen Kontext, die Konzeption des Angebots, die Zusammenarbeit mit den Kollegen, usw. analysieren und ggf. Entwicklungsvorschläge erarbeiten. Last but not least bietet die Supervision die Möglichkeit, von den Erfahrungen der anderen TeilnehmerInnen zu lernen und sich mit ihnen auszutauschen.